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28.06.2017
Philipp

Hilsener fra Trondheim (2)

Mit der Ankunft des norwegischen Sommers neigte sich die Zeit in Trondheim langsam aber sicher dem Ende zu. Zeit also für ein Update, was in den letzten Monaten geschehen war und was es über Land und Leute neues zu berichten gibt. Sommer ist, dies sei einleitend noch erwähnt, in der drittgrössten Stadt Norwegens ein relativer Begriff. Die in den vergangenen Wochen herrschenden 20°C waren wohl schon fast Jahresrekordwerte, die Einheimischen liefen denn auch sogleich nur noch in Shirts und Shorts rum.

Eingeleitet wurde die wärmere Saison mit der 10mila in Schweden. Dass es eine Woche später in Trondheim nochmals völlig weiss war, sei hier eine Nebenbemerkung. Die zweitgrösste OL-Staffel fand dieses Jahr erstmals in Göteborg statt, während sie sonst immer in der Umgebung der Hauptstadt Schwedens vonstatten ging. Mal abgesehen vom grössten Startstreckendesaster meiner Karriere war es ein absolut gelungener Anlass.

Ein Ormfeldt für den besten Standplatz
Der Studentenclub NTNUI aus Trondheim bekommt in der Arena jedes Jahr die besten Plätze, um die Zelte, ja eigentlich eher ein ganzes Lager aufzuschlagen. Nebst Material- und Schlafzelten wurde auch ein Grillwagen aus Norwegen mitgeschleppt, bei welchem praktisch ununterbrochen Hamburger, Würste, aber auch Waffeln und der eine oder andere Kaffee (je später die lange Nacht bzw. der Morgen wurde, desto mehr der schwarzen Brühe wurde konsumiert) über die Theke gingen. Dies ist wohl einer der Mitgründe für die Poleposition in der Arena, das Hauptargument ist aber ein musikalisch-unterhaltendes. Jährlich wird zuerst in Trondheim und dann irgendwo auf dem Weg für einen pompösen Einmarsch mit Brassband und der ganzen Meute an grün-schwarz-gelben Orientierungsläufern geübt. Die Hauptprobe in Uddevalla fiel dann aber durch etwas gar viel Regen buchstäblich ins Wasser, was der Musikqualität (auf einer relativen Skala) aber nur minimal geschadet hat. Unterhaltsam war es so oder so, ob mitendrinn im Ormfeldt genannten Umzug oder als Zuschauer.

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Die Sümpfe erwachen aus dem Winterschlaf
Spätestens nach der 10mila wurden dann auch die schönen OL-Gelände in Trondheim schneefrei und bestens belaufbar, zumindest für einige Tage, wie eingangs erwähnt. Diese zeichnen sich durch wenige Wege, viele nasse Sümpfe und den einen oder anderen, vergleichsweise steilen Hügel aus. Nicht selten würde man am liebsten eine kurze Pause einlegen, um die schöne Szenerie etwas länger zu geniessen.

Plötzlich gab es auch an jedem Wochenende verschiedenste Wettkämpfe im Angebot, auch wenn das einem zur Verfügung stehende Angebot durch die Grösse Norwegens etwas eingeschränkt war. Auf nationaler Ebene ging Anfangs Juni ein verlängertes Wochenende mit der NM-Sprint, NM-Sprintstaffel und einer Mitteldistanz über die Bühne. Fazit des Wochenendes: Wunderschönes Fjellgelände, die längste Postenverbindung die es wohl je in einem Sprint gab und die Erkenntnis, dass wir ganz froh sein sollten, in der Schweiz mit SportIdent laufen zu dürfen.

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SPAM-Mails der unterhaltsamen Art
In die digitale Welt bin ich bereits in Teil eins abgetaucht, eine Anekdote sei aber hier noch erwähnt. Sie handelt von sogenannten Retrojacke und einer Mailingliste namens Bull. Ein wenig muss ich dafür aber noch ausholen. Die Retrojacke ist eigentlich eher ein gemütlicher Pullover, der in den Clubfarben gestaltet ist, aber nicht ganz so bunt wie zum Beispiel die Trainerjacken auf dem ersten Bild. Und Mailinglisten gibt es im Club deren drei: Eine für die Mitglieder der Elitegruppe, eine für offizielle Ankündigungen und Infos bezüglich Trainings, Wettkämpfen und anderen Anlässen – und dann eben diese Bull-Liste für wirklich alles andere.

An einem späten Mittwochabend also, die Sonne stand zu diesem Zeitpunkt immerhin noch für einige Stunden über dem Horizont, schrieb der Präsident ein paar Worte bezüglich Kleider-Richtlinien auf Reisen zu norwegischen Meisterschaften und anderen grösseren Wettkämpfen (Anm. der Redaktion: Die Athleten erhalten für die Reisen Unterstützungsbeiträge, einer der Bedingungen ist aber das Tragen von Klubbekleidung unterwegs). In einem der letzten Sätze stand dann auch, dass diese Retrojacke eben nicht als Räpresentationsbekleidung gelte. Punkt. Es war eine ruhige Nacht. Doch ehe die Sonne wieder aufging, war es mit der Ruhe vorbei. Es folgte eine rege Diskussion in 22 Mails über Pro und Contra, Sinn und Unsinn dieser Regel und es schien als hätten alle alles gelesen, es wusste jedenfalls jeder Bescheid. (Irgendetwas müssen die Norweger ja mit ihrer Zeit machen, wenn sie bereits um spätestens 15:00 Uhr Feierabend machen.)

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Wer findet die Retrojacke? Tipp: Es gibt sie genau einmal auf diesem Bild.

Die einzige solche Diskussion war es indes nicht – und wehe, man startet eine solche mal in der falschen Mailingliste... Und wer noch etwas Zahlen zu dieser ominösen Bull-Liste hören möchte: 2140 Mails in 170 Tagen ergeben im Schnitt etwas mehr als 12 Mails pro Tag – weise, wer diese nicht im gleichen Posteingang wie die wichtigen Mails empfängt.
Übrigens, wer erfahren möchte, das auch normale SPAM-Mails ganz unterhaltsam sein können, dem seien diese zehn Minuten ans Herz gelegt.

Aber auch abseits der digitalen Welt lief einiges. Wurde nicht trainiert, gegen Ende des Semesters auch etwas vermehrt studiert oder über Staffelaufstellungen philosophiert, so gab es des öfteren auch spontane Einladungen zu Nachtessen oder kleineren Festen in einer der vielen OL-WG’s. Und, wie könnte es in Norwegen auch anders sein, zu Waffeln. Wer das heimliche Nationalgericht Norwegens mit einem kleinen Sprachkurs kombinieren möchte, dem empfehle ich folgendes Rezept: Verdens beste vafler

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Waffeln werden in Norwegen überall genossen - auch unterwegs auf Hüttentour über dem offenen Feuer.

Echtzeit-Fahrplan – echt jetzt?
Was in Norwegen nicht wirklich lief war der öffentliche Verkehr. So gab es zwar eine App bzw. Bildschirme an den Stationen mit Echtzeit-Infos zu den Bussen, diese hielten aber selten bis gar nie was sie versprachen. Vertraute man einmal der angeblichen Verspätung und schlenderte gemütlich zur Haltestelle, fuhr der Bus aber garantiert zu früh los. Passend dazu als Abschluss je fünf Dinge die ich vermissen werde – oder eben auch weniger...

Was ich vermissen werde:

  • Das unschlagbare Trainingsumfeld in Trondheim
  • Den Studenten-OL-Club NTNUI, den es wohl so kein zweites Mal gibt
  • Endlos lange Sonnenuntergänge
  • Die tiefen, weichen aber wunderschönen Sümpfe rund um Trondheim
  • Bakklandet, Solsiden und alle anderen hübschen Plätzchen in Trondheim

Was ich vermisst habe:

  • Pünktlichen öV
  • Einen spontanen Abendlauf auf den Born, das Säli-Schlössli oder die Naturfreundehütte
  • Richtig anspruchsvolle Sprint-Trainings
  • Knuspriges, schmackhaftes Brot
  • Guten, rezenten, Käse

Ha det bra Trondheim, vi sees igjen!

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>>> Zu Teil 1

Hilsener fra Trondheim (2)